Touren-Handbike

Mit den ersten paar hundert Kilometern auf einem Standard-Handbike folgt für viele der nächste Schritt. Den Einen zieht es in den Rennsport, andere wollen über Schotter- und Kieswege, wieder andere suchen die langen Touren. Für Tourenfahrer gelten andere Bedürfnisse als für den Mountainbiker oder Strassenrennfahrer. Tourenfahrer sitzen lange in ihren Sportgeräten, effizientes vorwärtskommen ist wichtiger als bis auf die letzte Schraube optimierte Aerodynamik. Das Touren-Handbike muss einiges aushalten, da lange Touren selten nur über superglatten Asphalt führen. Für viele Tourenfahrer gönnen sich Alpenpässe auf ihren Fahrten, so wollen sie breite Gesamtübersetzungen und sehr gute Bremsen.

Dafür kann in einem ersten Schritt das Standard-Handbike umgebaut werden, oder man lässt sich ein speziell dafür geeignetes Handbike fertigen. Die Eckdaten eines solchen Touren-Handbikes können so beschrieben werden.

Schnellübersicht Touren-Handbike

Sitzposition: Rücken aufrechter als Renn-Liege-Handbike, flacher als Standard-Handbike

Rahmen: Aluminium Leichtbau, robuster als Rennbike, moderate Einstellbarkeit

Schaltung: zuverlässige Ketten- oder Nabenschaltungen. Grosses Übersetzungsverhältnis

E-Antriebe: Getriebe-Nabenmotoren

Bremsen: Kombination aus Scheibe- und Felgenbremsen. Besser Scheiben an allen Rädern. Für Tetraplegiker Rücktritt.

Radsturz: kein oder nur wenig, dafür schmale Spur wie Rennbike.

Räder: 559 (26″). Reifen nicht allzu schmal z.B. 40-559, guter Pannenschutz.

Sicherheit: Safety Rack, Signalflagge und Beleuchtung. Optimierte Antidekubitus Sitzkissen.

Sitzposition

  • Verglichen mit dem Standardhandbike sollte man im Touren-Handbike eher flacher liegen, um es auch über Stunden bequem zu haben.
  • Jedoch nicht so flach wie im Renn-Handbike. Das Renn-Handbike besitzt durch die extrem flache Liegeposition, zwar die klar bessere Aerodynamik, das geht auf Kosten der Effizienz und der Übersicht im Verkehr. Der Touren-biker braucht optimale Effizienz und muss den Verkehr um sich herum immer im Auge behalten können.
  • Es gibt Touren-Fahrer welche in Knie- / Amputierten- oder Langsitzversion fahren. Wenn dem Fahrer dabei auch mehrere Stunden am Stück wohl ist, warum nicht?
Touren Sitzposition ProActiv NJ1
Quelle: Schweizer Paraplegiker Stiftung

Rahmen

Schmicking Touren-Handbike
Quelle: www.schmicking-uk.co.uk
  • Für Touren-Handbike eignen sich Alurahmen hervorragend, sie sind leicht genug und lassen sich in geeignete Formen bringen.
  • Die wichtigsten Einstellungen, wie Rückenwinkel, Sitztiefe, Beinlänge und evtl. Kurbelhöhe sollen einstellbar sein.
  • Die Höhe des Rahmens soll so konzipiert sein, dass genügend Bodenfreiheit bleibt. Auf Touren müssen auch mal hohe Randsteine oder Wurzeln im Wald überfahren werden können. Eine Bodenfreiheit von ca. 120 macht durchaus Sinn.
  • Protektoren welche den Rahmen an den exponiertesten Stellen schützen können die Lebensdauer eines Touren-Handbikes deutlich verlängern.

Handgriffe / Schaltung

  • Da das Touren-Handbike in einem sehr breiten Bereich eingesetzt wird, muss die Schaltung entsprechend breit abgestuft sein. Der Tourenfahrer besitzt schon Erfahrung deshalb kann man ihm auch etwas häufigere Einstellung zutrauen. Eine top 3×11 Kettenschaltung mit nach Bedarf zusammenstellbaren Kettenblättern, macht sich an einem Touren-Handbike sehr gut. Vorschlag 25-38-52 und einer Kassette von 11 – 42 Zähne.
  • Für den Einsatzbereich eines Touren-Handbike drängen sich auch Nabenschaltungen auf. Kombiniert man z.B. eine Rohloff 14-Gang mit einem Satz 3-fach Kettenblättern bleibt kein Wunsch in Sachen Entfaltung offen.
  • Handgriffe ovales Griffrohr mit Schalt- und Bremsarmaturen am Griff. Beim Einsatz einer Rohloff Nabenschaltung gibt’s einen Drehgriff-Schalter, den kann man am kopfüber am Griff montieren, oder gut zugänglich am Rahmen, somit hätte man sich schon zwei „fliegenden“ Kabeln entledigt.
Rohloff Getriebenabe in Schmicking Tourenbike
Quelle: www.schmicking-uk.co.uk

E-Handbike Antriebe

TopEnd mit BionX Motor
Quelle: www.topendwheelchair.com/

Touren-Handbiker fahren selten mit E-Antrieb. Die grossen Distanzen bringen die Kapazitäten der Akkus an die Grenzen.
Was nicht ausschliesst, grosse Touren mit E-Antrieb zu fahren. Die möglichen Reichweiten werden dank neuartigen Technologien immer länger. Vielleicht hält der E-Antrieb tatsächlich auch im Bereich des Touren-Handbikes Einzug.

  • Naben-Getriebe-Motoren sind die beste Wahl. Solange der Touren-Handbiker keine stundenlange Bergauffahren unternimmt dürfen das auch Direktläufer sein. Die Direktläufer sind diskreter, ruhiger und stellen ihre Kraft dosierter zur Verfügung. Getriebe-Nabenmotoren sind robuster und halten mehr aus, dafür laufen sie etwas ungehobelter.
  • Beim Touren-Handbike kommen kaum Kurbel-(Mittel-)motoren in Frage, weil der Bauraum an der Kurbel wohl zu knapp sein wird und der grosse Motor auch die Sicht einschränkt.
  • Akkus hinter der Rückenlehne montiert, nehmen leider den Platz für’s Gepäck.

Bremsen

  • Den ambitionierten Tourenfahrer trifft man früher oder später auf Pass-Strassen an. Wer sich hinauf kämpft, darf auch wieder hinunter rasen.
    Ein Touren-Handbike kommt ohne grosse Scheibenbremse und V-Brake Felgenbremse nicht aus.
  • Optimal sind drei Scheibenbremsen, je eine pro Rad.
  • An knochenharten Aufstiegen darf auch mal eine Pause eingelegt werden, da schreit der Handbiker nach einer gut funktionierenden, einfach zu bedienenden Feststellbremse. Zum Beispiel sind die Bremsen von Tektro, Auriga Comp und Auriga Twin mit dem „Lock Device Mechanism“ ausgerüstet. Ohne den Bremshebel loszulassen kann mit dem Daumen die Bremsen blockiert werden.
Schmicking MTB Hinterradbremse
Quelle: www.schmicking-uk.co.uk

Räder

Rad mit Schwalbe Marathon Racer
Quelle: www.utahtrikes.com
  • Der Tourenfahrer zieht schon mal, je nach geplanter Route andere Reifen auf. Er wird auch Ersatz Reifen und Schläuche auf die Tour mitnehmen wollen. In diesem Kontext ist es ratsam an allen drei Rädern dieselbe Radgrösse zu fahren. Vernünftigerweise eine Dimension für die das Angebot an Reifen gross ist. Ebenfalls sollten keine Exoten, aus der Sicht von Fahrradhändlern, verwendet werden, da man unterwegs, eben Fahrradhändler und nicht Rollstuhlhändler antrifft. 540 (24“) ist zum Beispiel für uns Rollstuhlfahrer völlig normal, während kaum eine Servicestelle für Fahrräder solche Reifen lagernd hat.
    Ergo, auf ein Touren-Handbike gehört 559 (26“), oder noch besser 622 (28″).
  • Felgen lieber robuster als superleicht und anfällig.
  • Keinen Radsturz, die Räder sollen am Boden, Mitte / Mitte Rad gemessen ca 65 bis 70 cm auseinander stehen.

Reifen

  • Breitere pannengeschützte Reifen, in der Art Schwalbe Marathon Plus oder Michelin Protek Urban 30 bis 40mm breit, was der Dimension 33-559 bis 40-559 entspricht, sind am Touren-Handbike eine gute Wahl.
  • Für 622 (28″) Räder bieten sich Gravel-Reifen an, diese werden in einer grossen Bandbreite angeboten.
  • Je nach geplanter Route sollte die Reifendimension angepasst werden. Für lange Fahrten zum Beispiel auf Forst- und Waldwegen, dürfen dann schon auch Reifen der Dimension 54-559 aufgezogen werden.
  • Es sollte beim Kauf des Handbikes darauf geachtet werden, dass Reifenbreiten bis 60mm aufgezogen werden können.
Schwalbe Marathon Plus
Quelle: www.schwalbe.com

Sicherheit

Auffällige Wimpel
Quelle: www.sunrisemedical.de
  • Jedes Touren-Handbike muss über mindestens zwei leuchtfarbige Wimpel verfügen. Radwege enden oft mitten im Verkehr, da muss der Handbiker unbedingt auffallen. Ich rate zu zwei in der Farbe unterschiedliche Wimpeln.
  • Ohne Rückstrahler weiss vorne, rot hinten und orange seitlich soll kein Handbike auf Strassen unterwegs sein.
  • Touren werden auch mal länger dauern als geplant. Also gehört je eine aktive Beleuchtung vorne und hinten immer mit.
  • Ideal und wärmstens zu empfehlen ist die Montage eines „Safety Racks“, für Wimpel und Lichter.

Besonderes / Zubehöre

  • Der Tourenfahrer braucht auch mal Pause oder er fährt sogar eine Mehrtagesfahrt. So muss der Rollstuhl mit. Also an ein entsprechendes Befestigungs- oder Deichselsystem denken.
  • Explizit bei langen Fahrten ist das Trinken ein wichtiges Thema. Ein Touren-Handbike muss mit Halterungen für grosse Getränkeflaschen oder für Getränkesäcke ausgerüstet sein.
  • Flickzeug, Pneuhebel und Pumpe gehören mit auf die Tour.
  • Wer sich zum Beispiel eine Pass-Strasse hochquält wird sich kaum über kalte Temperaturen beklagen, ganz anders sieht es auf der folgenden Abfahrt aus. Ein bisschen höhere Geschwindigkeit und es kann empfindlich kalt werden. Auf über 2000 Meter gilt das auch im Hochsommer. Mindestens eine gute Windschutzjacke gehört also ins Gepäck.
  • Querschnitt Sportler müssen sich vor der Tour auch überlegen wie sie ihre Blasen entleeren können. Viele schaffen das im Handbike, aber das sollte erst zu Hause geübt werden. Frauen sind da klar benachteiligt, um so mehr sollte dieses Thema überlegt und vorbereitet sein.
Rollstuhl Anhaengerkupplung
Quelle: www.proactiv-gmbh.de
Getränkeflaschen
Quelle: http://schmicking-uk.co.uk

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