E-Handbike Antriebs-Systeme
Da Schultern und Arme nicht für die Fortbewegung geschaffen sind, entlasten elektrische Antriebshilfen den Rollstuhlfahrer und erweitern seine Reichweite erheblich. Sie ermöglichen den Zugang zu Orten, die sonst ohne Hilfe unerreichbar wären.
Welcher Rollstuhlfahrer träumt nicht davon, mit Familie oder Freunden Ausflüge zu unternehmen? Mit E-Unterstützung wird dieser Wunsch auch Gelegenheits-Handbikern möglich.
E-Handbike Motoren
Auf dem Markt sind viele Arten von Motoren erhältlich. Für E-Fahrräder und somit auch für E-Handbike Antriebe kommen praktisch nur noch bürstenlose Gleichstrommotoren (brushless direct current BLDC), auch Elektronikmotoren genannt, zum Einsatz. Die Art und Weise wie diese Motoren auf- und in Handbikes eingebaut werden ist spannend.
Die Art des Motors und die Positionierung am Handbike hängt stark vom gewünschten Einsatzzweck des Handbikes ab.
Front- / Tretlager- / Mitte- / Heckmotor




Front- / Heckmotor (Nabenmotor)
Die Kraft des Fahrers wird über die Kette auf den Motor übertragen und dort verstärkt – so gelangt die kombinierte Leistung aufs Vorderrad.
Diese Bauart ist die einfachste und bekannteste: Der Motor sitzt direkt in der Nabe – er ist die Nabe. Die Akkus befinden sich bei Vorspann-Handbikes meist neben oder über dem Rad, bei Festrahmen-Modellen hinter der Rückenlehne. Das zusätzliche Motorgewicht sorgt für mehr Traktion und bessere Geländegängigkeit.
Frontnabenmotoren können zudem rekuperieren: Beim Bergabfahren arbeitet der Motor als Generator, lädt den Akku und bremst dabei das Handbike sanft ab.
Man unterscheidet Nabenmotoren in Direktläufer und Getriebemotoren.
Mittel- / Tretlagermotor
Motor, Sensorik und Controller sitzen direkt an der Kurbel. Die Fahrerleistung des Handbikers, der Handbikerin wird hier mit der Motorkraft kombiniert und über die Kette ans Rad weitergegeben. Vorne läuft ein herkömmliches Laufrad mit der gewünschten Schaltung.
Der Vorteil: Die Schaltkomponenten liegen hinter dem Motor, wodurch dieser stets in optimaler Drehzahl arbeiten kann. Wichtig ist jedoch, dass Kette, Kassette und Schaltwerk für die hohen Kräfte ausgelegt sind – etwa mit speziellen E-Bike-Gruppen wie der SRAM EX1.
Ein Nachteil: Der Mittelmotor hebt den Schwerpunkt, was das Handbike etwas kippanfälliger macht.
Bei vielen Motoren muss auch im ausgeschalteten Zustand ein Teil des Getriebes mitlaufen – Fahren ohne Motor ist also kaum möglich.
Nicht so beim maxon AIR S: Durch clever platzierte Freiläufe entsteht kein zusätzlicher Widerstand. So kannst du auf flacher Strecke rein mit Muskelkraft fahren und den Motor nur bei Steigungen zuschalten. Das spart Akku – und Gewicht.
„Echter“ Mittelmotor im Handbike
Wie kann man die Vorteile des Mittelmotors im Handbike nutzen und trotzdem nicht auf tiefen Schwerpunkt und hohe Traktion verzichten?
Diese Frage stellen sich innovative Handbike Hersteller schon seit einiger Zeit.
An Froschposition-MTB-Handbikes stellt sich die Frage erst gar nicht. Durch die sehr tiefe Position des Tretlagers sitzt auch ein Tretlagermotor sehr tief. Der Hinterradantrieb bietet von Haus aus sehr grosse Traktion.
Die Konstruktion des Kobold Handbikes löst die Frage nach Mittelmotor und trotzdem tiefer Schwerpunkt in dem der Motor unter dem Sitz, zwischen zwei Ketten platziert wurde. Die erste Kette führt vom Tretlager zum Motor. Am Motor ist anstelle der Kurbelarme ein Kettenblatt montiert. Die kumulierten Kräfte des Fahrers und des Motors wirken über eine zweite verstärkte Kette auf das Hinterrad.
Akku Kapazität
Die kapazitativen Eigenschaften eines Akkus werden durch die elektrische Spannung (V), die Ladungsmenge (Ah) und der daraus resultierenden gespeicherten elektrischen Energie (Wh) bestimmt. Die Kapazität eines Akkus (Wh) ergibt sich demnach aus der Formel:
Wh = V x Ah.
Das heißt: Je mehr Wattstunden (Wh) ein Akku vorweisen kann, desto leistungsstärker ist er. Um unterschiedliche Akkus effektiv zu vergleichen, sollte man daher nicht auf die häufig angegebenen Amperestunden (Ah), sondern auf die Wattstunden (Wh) achten.
Kapazität
Formel: Wh = V x Ah
Beispiel: 52V x 17,5Ah = 910Wh
Reichweiten
Die Frage nach der möglichen Reichweite eines Handbikes ist omnipresent, aber im Prinzip nicht beantwortbar.
Sehr vorsichtig im Wissen um die sehr starke Streuung und ohne mich behaften zu lassen, wage ich eine stark allgemein gehaltene Angabe die ich aus eigener Erfahrung abrufen kann:
Handbike Kobold mit Bafang BBS02 (500 Watt) Motor, Systemgewicht (Fahrer und Handbike) 105 kg, Temperatur 10° Celsius, Akku 48 Volt 21 Ah = 1010 Wh.
Mögliche Reichweite
Hügelige Strecke (1500 Höhenmeter), fester Kies, Stufe 4 von 9 (ca 200 W), Durchschnitt 15 km/h:
80 Kilometer
ACHTUNG!
Die möglichen Reichweiten hängen von vielen Faktoren ab.
Die von mir gefahrenen und oben beschriebenen 80 Kilometer stimmen nur wenn genau so gefahren wird ich es tat.
Unterstützungsstufen: In meinem Beispiel entspricht Stufe 4 40% Motorleistung. 40% von 500 Watt = theoretische 200 Watt. Verlangt man vom Motor z.B. 60% statt 40% Leistung wird die mögliche Reichweite nicht einfach um 20% abnehmen, sondern um ein Vielfaches davon.
Menschliche Leistung: Ich bin relativ gut trainiert und kräftig, ich kann bis zu 250 Watt Spitze drücken. So unterstützte mich der Motor nur selten mit den vollen 200 Watt, die er in der 40% Stufe zur Verfügung hätte.
Geschwindigkeit: Der Kobold hat einen Mittelmotor der auf eine Rohloff Nabenschaltung wirkt. Fährt man bergauf langsam, mit einem kleinen Gang, braucht Mensch und Motor weniger Leistung, als wenn man die jeweils maximal mögliche Geschwindigkeit ausreizt.
Untergrund: Die Art der Befestigung der Strasse hat einen sehr grossen Einfluss auf die Reichweite. Würde ich die selbe Strecke auf Asphalt fahren, wären 120 Kilometer und mehr möglich. Auf nassem, rauhem Kies oder losem Schotter wird man kaum 60 Kilometer schaffen.
Art des Motors: Je hügeliger (steiler) die Strecken sind, desto effizienter kann ein Mittelmotor mit nachgeschaltetem Getriebe seine Vorteile ausspielen. Er läuft auch bei steiler Bergfahrt mit höherer, gesünderer Drehzahl, während ein Nabenmotor viel Energie durch Hitze verbraten wird.
Auf flacheren, schnelleren Strecken wird ein Nabenmotor weniger Energie verbrauchen, da das direkte System weniger mechanische Verluste generiert.
Vergleiche Wh: Wer sich an diesen von mir hier aufgelisteten Reichweitenangaben orientieren möchte, sollte erst seine Akkus prüfen und die Wattstunden Wh vergleichen (Volt x Ah = Wh). Der Akku am Kobold hat Nominal 48.1 Volt und 21 Ah = 1’010 Wh, das ist ein eher grosser Akku. Wh könnte man vereinfacht mit dem Tankinhalt eines Verbrenner-Autos vergleichen. 500 Wh reichen nur halb so weit wie 1’000.
Reale Vergleichsfahrten
Ich unternahm drei Fahrten auf der absolut identischen Strecke.
Strecke:
Kreuz und Quer auf feuchten bis nassen Kieswegen und Singletrails durch den Hardwald bei Zürich. 19.1 km / 276 Höhenmeter.
Handbike:
Kobold 01 Prototyp wie oben beschrieben.

Analyse 1. Fahrt: Ruhige, unaufgeregte Genuss-Fahrt mit viel Eigenleistung. Keine Tempoambitionen.
Oben links auf dem Display 11.8 ist die Durchschnittgeschwindigkeit in Fahrt. Das ist relativ langsam.
Für diese 19.11 Kilometer verbrauchte ich 196.1 Wh oder 10.26 Wh/km.
Hochgerechnet auf den vollen Akku (1010 Wh) ist eine Reichweite von 98.44 km zu erwarten.
ACHTUNG eine Waldrunde auf nassen Kieswegen braucht viel Eigenleistung um mit 10.26 Wh/km auszukommen.
Die relativ tiefe Durchschnittgeschwindigkeit und der Mittelmotor senkt den Verbrauch, da in kurzen Gängen der Motor immer effizient läuft.
Ruhige, sparsame Fahrt mit viel Eigenleistung
Mögliche Reichweite 98 Kilometer

Analyse 2. Fahrt: Im Sinne von Inklusion in Begleitung meiner Frau „Fussgängerin“. Sie fährt ein Fully MTB ohne Motor. Monika ist relativ fit und schlug, ein für sie normales Tempo, mit durchschnittlicher Leistung an. Ich versuchte meine Eigenleistung identisch der von der 1. Tour zu halten. Um zu folgen musste ich mehr Motorleistung abrufen, vorallem in Steigungen.
Die Durchschnittgeschwindigkeit ist mit 12.7 km/h höher.
Für diese 19.11 Kilometer verbrauchte ich diesmal 226 Wh oder 11.8 Wh/km.
Hochgerechnet auf den vollen Akku (1010 Wh) senkt sich die zu erwartende Reichweite auf 85.5 km.
An Fussgängerin mit MTB angepasst, mit viel Eigenleistung
Mögliche Reichweite 85 Kilometer

Analyse 3. Fahrt: Mit der dritten Fahrt soll simuliert werden wie eine untrainierte Gelegenheitshandbikerin oder ein in den oberen Extremitäten eingeschränkte Person dieselbe Strecke fährt und dabei vorallem den Motor in höchster Unterstützungsstufe arbeiten lässt.
Die Durchschnittgeschwindigkeit auf 17.7 km/h gestiegen.
Für die identischen 19.11 Kilometer zog der Motor satte 293.2 Wh oder 15.29 Wh/km aus dem Akku.
Hochgerechnet auf den vollen Akku (1010 Wh) senkt sich die zu erwartende Reichweite auf 66 km.
Wenig Eigenleistung, höchste Unterstützungs-Stufe
Mögliche Reichweite 66 Kilometer




















