Handgriffe
Die Griffe an modernen Handbikes sind in einem Winkel von ca. 10° bis 15° nach innen geneigt. Was in der Regel eine gute Kraftübertragung zulässt.
Die Wissenschaft hat sich ausführlich mit diesem Winkel auseinandergesetzt, (Krämer, 2012) vergleiche Kasten.
In den Gründerjahren des modernen Handbikesports beobachtete man ganz unwissenschaftlich die Handhaltung eines Menschen. Streckt man gedankenlos beide Arme horizontal nach vorne, zeigen die Handinnenflächen in etwa genau diese 10° bis 15° Neigung nach innen. Davon leitete der interessierte Handbikekonstrukteur diesen beschriebenen Winkel ab.
Als sich dann die Fahrer positiv darüber äusserten, beliess man diese Einstellung.
Erst später befasste sich die Wissenschaft mit der optimalen Positionierung der Handgriffe.
Dr.- Ing. Christian Krämer, Dissertation „Ergonomische Optimierung des Handbike-Antriebes“ 2012, Technischen Universität München:
In konventionellen Handbikes wird in der Regel ein leicht nach innen gekippter Griff (10-15° in pronierter Richtung) verwendet (siehe Abb. 4.1).
Abbildung 4.1: Handbike mit konventionellem, um 10-15_ nach innen proniertem Griffwinkel (gezeigt ist der linke Griff), Krämer u. a. (2009b).
In Übereinstimmung mit dieser pronierten Griffposition fanden Lategan und Krüger (2007) signifikant höhere maximale Kräfte beziehungsweise Gelenkmomente während isokinetischer Ellenbogenextension mit einem um 90° pronierten Griff, im Vergleich zur neutralen Position (0° =Daumen nach oben).
Im Gegensatz dazu wurden bei isokinetischer und isometrischer Ellenbogenflexion höhere Gelenkmomente mit einem supinierteren Griffwinkel erreicht (Wells, 1955; Mandalidis und O’Brien, 2001; Lategan und Krüger, 2007). Während der Handbikebewegung tritt alternierend sowohl eine Ellenbogen-extension in der Druckphase, als auch eine Ellenbogenflexion in der Zugphase auf, die beide in gleichem Maße zur Generierung von Leistung genutzt werden. Daher könnte es sein, dass der zurzeit gefahrene Griffwinkel von 10-15° ein Kompromiss zwischen der Zug- und Druckphase darstellt und die Kraftmöglichkeiten der oberen Extremität nicht optimal ausgenutzt werden. Um die erbrachte Leistung im Handbiken zu erhöhen, könnte es daher sinnvoll sein den festen Griffwinkel aufzugeben und einen variablen Griff einzusetzen, der eine Pronations-Supinations-Bewegung (PSB) des Unterarmes über einen Handbike-Zyklus erlaubt. Technisch könnte das entweder über eine freie Lagerung oder eine Zwangssteuerung erreicht werden, die den Griffwinkel in Abhängigkeit des Kurbelwinkels vorgibt. Eine freie Lagerung würde jedoch eine ständige Stabilisierung des Griffes mit Hilfe der Handgelenkmuskeln notwendig machen. Dies würde sowohl zu einer erhöhten Belastung des Handgelenks, als auch zu einem erhöhten Energieverbrauch aufgrund des vermehrten Muskeleinsatzes führen. Daher wäre es wahrscheinlich sinnvoll einen Griff zu konstruieren, der eine PSB über eine Zwangssteuerung vorgibt, die einen optimalen Krafteinsatz ermöglicht. Allerdings ist es fraglich, ob die Beobachtungen zu den Kraftfähigkeiten während der Ellenbogenflexion und -extension (Wells, 1955; Mandalidis und O’Brien, 2001; Lategan und Krüger, 2007) auf die reale Situation der Handbikebewegung übertragen werden können. Weitere und zweigelenkige Muskeln des Schulter- und Ellenbogengelenkes könnten die Effekte bei der eingelenkigen Ellenbogenflexion und -extension überlagern.
Thees (2005) ermittelte den Einfluss von drei verschiedenen Griffwinkeln (0° =neutral und 12° bzw. 90° proniert) beim Handbiken auf physiologische Parameter (Sauerstoffaufnahme, Laktatkonzentration, Herzfrequenz) und fand keine signifikanten Unterschiede. Supinierte Griffwinkel wurden allerdings nicht untersucht. Bressel u. a. (2001) untersuchten verschiedene Griffwinkel bei Handkurbelergometrie. Dabei fanden sie eine erhöhte Muskelaktivität des m. brachioradialis in der neutralen, im Vergleich zur 90° supinierten und pronierten Position.
Griffe für Handfunktion ohne Einschränkung
Es gibt soviele Griffsysteme wie es Handbike-Hersteller gibt und noch viel mehr individuellen Vorlieben der Handbikenden. Verfügt die Fahrerin über voll funktionsfähige Hände, leiten sich die Vorlieben aus Erfahrungen ab. Wichtige Kriterien sind Material, Materialbeschaffenheit, Form und Grösse. Einige Handbiker können zum Beispiel mit gummierten Griffen nichts anfangen, weil sie davon Blasen bekommen. Bei Aluminium Griffen kann nur schon die Beschichtung viel ausmachen, so fühlt sich derselbe Aluminiumgriff eloxiert völlig anders an als sein pulverbeschichtetes Pendant.
Bei anatomisch ausgeformten Griffen ist der Winkel zum Unterarm sehr wichtig, es besteht die Gefahr, dass der anatomische Griff die Hand in einen unnatürlichen Winkel drückt.
Handgriffe und Schaltelemente müssen korrespondieren
Wichtig bei der Auswahl der Art des Griffes ist auch die Platzierung der Schaltarmaturen, auch der beste, anatomisch optimalste Hand-Griff bringt wenig, wenn dadurch das Schalten verunmöglicht wird. Dieses Problem zeigt sich zum Beispiel beim anatomisch geformten Holzgriff von ProActiv. Der Griff verfügt im oberen Bereich über einen Kranz, wählt man dazu Shimano Rapid Fire Schaltarmaturen, gibt es einen Konflikt zwischen den Schalthebeln und dem Kranz. Schneidet man den Kranz weg, verliert der Griff ein Teil seiner hervorragenden Funktion.
Griffe bei eingeschränkter Handfunktion
Handbiker mit eingeschränkter Handfunktion sind auf Hand-Griffe mit mehr Fixierungs Optionen angewiesen. Meistens wird eine Lösung mit zwei Massnahmen angestrebt. Parallel zum Handgriff verläuft ein zweites schaumgepolstertes Rohr oder Flachmaterial so, dass die Hand dazwischen „geklemmt“ werden kann. Die Befestigung dieser Klemmhilfe unten am Griff verhindert dass die Hand nach unten herausrutschen kann.
Ergänzend kann auch ein speziell geformter U-Förmiger Unterarmbügel angebracht werden.
Andere Lösungen gehen von Handschienen aus, daran werden Schnellverschluss-Klicksysteme fixiert. Besonders Elegant wenn die Hand-/Unterarmorthese mit einer Halterung eines Fahrradschuhs für Klickpedalen ausgerüstet wird.
Bremsen und Schalten ohne Fingerfunktion
Mit diesen Support Adaptionen wird erreicht, dass der Tetraplegiker, oder ganz allgemein der Handbiker mit eingeschränkter Hand- / Greiffunktion, den Griff fassen kann. Das Antreiben des Handbikes wird möglich.
Noch nicht gelöst ist die Frage, wie werden die Gänge gewechselt oder äusserst sicherheitsrelevant, wie wird gebremst.
Naheliegend und oft gesehen sind Schalthebel mit gepolsterten Verlängerungen damit der Fahrer mit dem Kinn schalten kann.
Gebremst wird gerne über, zum Teil abenteuerliche, Rücktritt Systeme. An Vorspann-Handbikes schränken die konstruktiven Gegebenheiten die Wahl von Alternativen ein.
Das Festrahmen-Handbike lässt da schon etwas mehr Kreativität und Erfindergeist zu.
Sehr spannende Lösungen kommen aus dem Hause Schmicking. Die Ellbogenbremsen und Ellbogenschaltungen, kombiniert mit elektronischen Schaltwerken wie z.B. Shimano Di2, sind Meisterklasse.