Position des Motors

Wo ist nun die richtige Position des Motors bei E-Handbikes?

Hier sind ein paar Vorschläge für Vor- und Nachteilen bei Front-, Mittel- und Heckmotor Anbau aufgelistet.

Frontmotor

Frontmotor im antreibenden Vorderrad. Das ist die bekannteste und einfachste Variante. Motor und Sensorik sitzen in der Nabe, genau genommen wird die Nabe zum Motor. Der oder die Akkus findet man bei Vorspann-Handbikes neben oder über dem Rad, bei Festrahmen-Handbikes meistens hinter der Rückenlehne auf dem Rahmen.
Das Gewicht des Motors bringt zusätzliche Traktion und das Handbike wird im Gelände agiler.
Der Frontmotor kann auch mit rekuperierenden Systemen betrieben werden. Das heisst bei Bergabfahrt polt der Controller den Motor zum Generator um und dieser wird zum stromerzeugenden Minikraftwerk, lädt den Akku und bremst nebenbei das ganze Gefährt bequem.

ProActiv NJ1 BionX D-Serie
Quelle: www.proactiv-gmbh.de

Mittel- / Tretlagermotor

Otto Bock eMano3 mit Mittelmotor
Quelle: www.ottobock.de
Drei Ladys mit Bafang Mittelmotoren am Praschberger CompCC
Quelle: Handbike-Trail 2019, Daniel Schliessmann
Bafang Mittelmotor mit 1000Watt
Quelle: https://www.bafang-e.com/de

Mittelmotor oder Tretlagermotor an der Kurbel. Motor, Sensorik und Controller sind direkt an der Kurbel angeflanscht, die Kraft des Fahrers wird mit der Kurbel ins System eingeführt und, kumuliert mit der Motorkraft, an die Kette abgegeben. Vorne in der Gabel sitzt ein herkömmliches Rad mit der gewünschten Schaltung.

Die Vorteile dieser Anordnung liegen darin, dass die Schaltkomponenten (Untersetzung) nach dem Motor eingebaut sind.
Der Motor kann, bei entsprechend angepasster Entfaltung, in guter gesunder Drehzahl arbeiten.

Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Schaltgruppe (Kette, Kassette, Wechsler) auf die hohen Kräfte ausgelegt ist. Mittlerweilen bieten Hersteller spezielle Gruppen für E-Bikes mit Mittelmotoren an (z.B. SRAM EX1).

Der  Mittelmotor setzt, bei herkömmlichen Deltatrike Handbikes, den Schwerpunkt nach oben und somit neigt es eher zum Kippen.

Es gibt Mittelmotoren (z.B. Bafang BBSHD) die bis zu 160 Nm Drehmoment liefern. Solche Motoren ermöglichen es dem Handbiker, locker mit dem Tempo von Fussgängern mitzuhalten und das auch am Berg. Technische Inklusion, leider auf Kosten der Legalität.

„Echter“ Mittelmotor im Handbike

Wie kann man die Vorteile des Mittelmotors im Handbike nutzen und trotzdem nicht auf tiefen Schwerpunkt und hohe Traktion verzichten?

Diese Frage stellen sich innovative Handbike Hersteller schon seit einiger Zeit.
Durch die sehr tiefe Position des Tretlagers an Froschposition-MTB-Handbikes sitzt auch ein Tretlagermotor sehr tief. Der Hinterradantrieb bietet von Haus aus sehr grosse Traktion.

Die Konstruktion des Kobold Handbikes löst die Frage nach Mittelmotor und trotzdem tiefem Schwerpunkt. Der Motor hat seinen Platz unter dem Sitz, zwischen zwei Ketten. Die erste Kette führt vom Tretlager zum Motor. Am Motor ist anstelle der Kurbelarme ein Kettenblatt montiert. Die kumulierte Kraft des Fahrers und des Motors wirkt über eine zweite verstärkte Kette auf das Hinterrad.

Ein „echter“ Mittelmotor ist im Vorspann-Handbike ProActiv HUSK-E verbaut. Proaktiv packt einen Shimano Steps E8000 (bis 70Nm Drehmoment) Motor sauber in die Rahmenkonstruktion.
In der Variante mit dem Shimano STEPS E6100 (bis 60Nm) kann der HUSK-E sogar Rücktrittbremse und automatische Schaltung geordert werden

MTB-Handbike Explorer mit Mittelmotor
Quelle: Jarek Rola Privatarchiv
Mittelmotor unter dem Sitz, CrossCountry-Handbike
Quelle: SPS / Handbike-Andi
ProActiv HUSK-E mit Shimano Steps Motor
Quelle: https://www.proactiv-gmbh.de

Hinterrad-Motor

Reactive Nuke Offroad Handcycle mit Heckmotor
Quelle: www.reactiveadaptations.com

Heckmotor in den hinteren Rädern. Beim Handbike in Tadpole-Trike Anordnung (zwei Räder vorne / ein Rad hinten) übernimmt der Heckmotor dieselben Eigenschaften wie im Vorderrad beim Handbike mit Delta-Trike Anordnung (ein Rad vorne und zwei Räder hinten). Der Motor treibt und bremst das eine Antriebsrad an.

Roadrace PowerPod
Quelle: www.electricbikereport.com

Aus den USA stammt die spannende Idee des „RoadRACE Power Pod“. Ein einzelnes Rad, ausgerüstet mit Motor und Akku wird mittels Schnellverschluss hinten an ein handelsübliches Handbike angeflanscht. Diese Variante kommt ohne Sensorik aus ist also ein reiner Elektrofahrmotor, der Fahrer ruft über einen „Gashebel“ die gewünschte Leistung ab. Dieses System ist vor Allem auf Speed ausgelegt und dürfte nicht mit europäischen Verkehrsgesetzen vereinbar sein.

Dubs/Electrolyte Heckantrieb Prototyp
Dubs/Electrolyte Hinterradantrieb
Quelle: Rolf Dubs Privatarchiv

Aus der Schweiz kommt der Gedanke, in jedes der beiden Hinterräder eines klassischen Handbikes je einen Elektromotor zu verbauen.
Mike Dubs der Ingenieur und Sohn eines Paraplegikers, baute zusammen mit der Electrolyte GmbH, Adapter um in jedes Hinterrad je einen 250 Watt Getriebemotor zu bauen. Dazu spiegelte Electrolyte einen Motor, damit der „verkehrtherum“ dreht und entwickelte eine neue Steuerung. Die Motoren werden nun über einen Hall-Sensor an der Kurbelwelle über Daten des Fahrers informiert. Als schönes und angenehmes Gadget wurde dem Antriebssystem eine kräftige Starthilfe spendiert.
Wer kennt nicht die Situation, beim Losfahren von der Ampel festzustellen dass ein viel zu grossen Gang eingelegt ist? Ein kurzer Druck auf den Startknopf und die Fuhre geht ab wie die Feuerwehr.

Ich kann aus eigenen Testfahrten berichten, dass das System Traktionsprobleme in die Märchenecke verbannt und einfach nur Spass macht.
Das System ist aktuell (Februar 2018) an einem älteren Sopur Shark als Prototyp verbaut und in der Phase wo es vom Prototypen zum Serienprodukt reift. Läuft alles rund und wie geplant, wird das System am Stand eines bekannten österreichischen Handbike-Herstellers offiziell vorgestellt.

Heinzmann der Elektromotoren Hersteller aus dem Schwarzwald bietet seinen kräftigen Cargo Power E-Bike Motor auch für einseitige Befestigung an. Damit könnten „herkömmliche“ Deltatrike Handbikes mit Hinterradantrieb ausgerüstet werden.

Quelle: https://www.heinzmann-electric-motors.com
Stricker Handbike Lupo Heckmotor
Quelle: www.stricker-handbikes.com

Umgesetzt hat die Idee mit den zwei antreibenden Motoren hinten, bereits Reiner Stricker am Lupo.